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Shared Space

“Was”, raunten sich die Controller zu und waren vor Verzückung ganz aufgeregt, “wenn wir zwanzig Prozent der Gebäudekosten sparen, einfach so?” Der shared space folgt simplen Ideen: Jeder Arbeitsplatz ist gleich. Wo man arbeitet, ist egal. Leute kommen und gehen. Und wie das so ist mit simplen Lösungen für komplexe Probleme, ist auch hier der Wurm drin. Wir laufen Gefahr, die Leute zu verlieren.

Seit Jahren wird die Idee des “shared office space” durchs IT-Dorf getrieben, also die Vorstellung, dass sich eine Anzahl von Menschen die verfügbaren Arbeitsplätze teilen. Indem man diese nebeneinander anordnet (Großraum) und gleich macht (Ausstattung). Wer einen Arbeitsplatz sucht, nimmt den erstbesten freien Platz. Konzepte wie clean desk kommen hinzu: Jegliche Individualisierung des Platzes ist unerwünscht, da alles gleich sein muss, um austauschbar zu bleiben.

Leider sind Arbeitsplätze abseits der namenlosen Kolonnen outgesourcter IT-Spezialisten aus Fernost nicht gleich. (Ich behaupte, auch dort sind sie es nicht, aber außerhalb ihrer Heimatländer verlangt unsere Industrie von den externen Kräften, an gesichtslosen, gleichgemachten, langweiligen Plätzen im Akkord zu arbeiten. Das Ergebnis lässt nicht auf sich warten.) Die meisten Schreibtischtäter haben ein vitales Interesse daran, den Platz, an dem wir so viele Stunden verbringen, geeignet zu gestalten: Vorlieben von Tastatur und Maus, Einstellungen von Tisch, Stuhl und Monitor, Arbeitsmaterial und Dekoration - ja, auch die eigene Kaffeetasse gehört dazu.

Besonders erregt hat der Gedanke der Überbelegung: “Wenn sowieso ständig Leute im Urlaub oder krank sind, im Projekt oder sonst wo - warum müssen wir für diese dann noch Tisch und Stuhl vorhalten?” Also spielt man Reise nach Jerusalem, für 10 Menschen gibt es häufig 8 Plätze oder noch weniger. Zur Anonymität des Arbeitsplatzes kommt jetzt noch dessen schlichte Nichtverfügbarkeit: Wozu soll ich mich anderswo um einen knappen, langweiligen Tisch bemühen, wenn ich unter eigener Kontrolle alles zu meiner Zufriedenheit vorfinde?

Mit Corona hat niemand rechnen können. Plötzlich verbringen wir große Teile unserer Tage online, sitzen mit Headset und Kamera in Zoom- oder Teams-Meetings. Die Notwendigkeit eines räumlichen Bezuges zueinander wird mit rascher Geschwindigkeit aufgehoben, und das Management muss eine unmögliche Antwort geben auf die naheliegende Frage: “Wenn ich sowieso remote arbeite, wieso muss dies dann an einem für mich ungünstigen Ort geschehen?”

Shared Space war von Anfang an eine schlechte Idee, nicht nur, weil so die emotionale Bindung der Menschen an ihren Arbeitsplatz vernichtet wird. Wir wissen durch Studien, dass der offene Raum direkte Kommunikation nicht begünstigt, sondern ganz im Gegenteil hemmt. Durch Corona kommt noch die gesicherte Erkenntnis hinzu, dass wir tatsächlich auch remote arbeiten können. Und jetzt haben die Firmen den Salat: Auf Mobilität und Austauschbarkeit optimierte Arbeitskräfte verlieren ihre Bindung. Das Ergebnis wird eine sch***-egal-Haltung sein, wie wir sie noch nicht erlebt haben.

Microsoft hat gerade bekannt gegeben, dass sie die Gehälter der Entwickler erheblich anheben, um Fluktuation vorzubeugen. Das dürfte die eingesparten Raumkosten ein Stück weit aufwiegen.