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Recruiting 2021

In den letzten zwei Jahren war ich Teilnehmer in vielen Bewerbungsverfahren. Bei der Zurich, als IT Manager – aber auch als Privatperson, weil ich mich in diesem Jahr selbst um eine neue Position bemüht habe. Da gibt es ein paar lessons learned, die ich mir merken werde.

Lasst mich die richtigen Ausschreibungen finden!

Die Stellenbezeichnungen sind unübersichtlich und verwirrend. Es gibt Software Developer, Software Engineers, Programmierer, Coder, Entwickler und alle möglichen “lustigen” Rockstars, Ninjas und Co. Das meint alles dasselbe, ist aber zur Suche nach Begriffen ungeeignet. Besser: Stellenausschreibungen müssen mit einer “Meta-Klassifizierung” versehen sein, um alle Schreibweisen und Titel unter wenigen Rubriken zu sammeln. Portale wie indeed.com oder eigene Stellenportale sollten einen Thesaurus einbinden, um gleichartige Jobs zu bündeln, egal wie die Schreibweise lautet.

Die Angabe des Arbeitsortes oder der Remote-Arbeit ist wichtig. Welche Erwartungen hat die Firma zur Anwesenheit? Gerade Personalagenturen verbocken das gelegentlich, dann erscheint der Job in Darmstadt plötzlich für Bonn, nur weil die Personalfirma dort sitzt. Und die Menschen in Darmstadt halten nichts von Home Office.

Leute, seid klar und deutlich zur Angabe, ob Personalverantwortung mit der Position verbunden ist. stepstone.de versucht, das aus der Stellenbeschreibung herauszufiltern, es klappt aber nicht immer. Wer sich gezielt auf eine solche Stelle bewirbt, dem ist eure interne Bezeichnung dazu relativ egal: Teamleiter, Team Lead, IT-Manager, People Manager, IT-Leiter, Gruppenleiter, Ressortverantwortung… das sind je nach Firmengröße alternative Bezeichnungen für die selbe Tätigkeit. Wer eine Position mit Führungsverantwortung ausschreibt, sollte unbedingt eine Zahl der zu führenden Menschen dazu nennen.

Proprietäre HR-Portale sind nervig

Ich hasse es, wenn ich meinen Lebenslauf in einem proprietären Tool erneut zusammenklickern soll, nachdem ich das schon im CV und auf LinkedIn sorgfältig getan habe. Stand der Technik sind one-click-Bewerbungen, einfacher Datenimport von Facebook, XING oder LinkedIN, automatisches Parsing von Lebensläufen. Selbst das Anlegen von Accounts ist dank OAuth obsolet. Warum sollte sich ein Bewerber nicht mit seinem Google/Apple/Facebook/Github/…-Account anmelden, warum bei der Max-Mustermann-GmbH ein Bewerberkonto anlegen?

Mein Eindruck aus der IT-Manager-Perspektive ist, dass klassische Anschreiben kaum mehr Bedeutung haben. Für mich selbst habe ich kein Anschreiben verfasst. Mit welchen Plattitüden wie “mit großem Interesse habe ich ihre Anzeige gelesen” sollte ich jemanden langweilen? Welche Information trägt das bei?

Antwortzeiten sind relevant

Meine persönliche Erwartungshaltung ist: Ich wünsche mir zeitnahe Rückmeldung. Innerhalb von maximal zwei Werktagen sollte ein erstes Feedback an Bewerber möglich sein. Das versuche ich als IT-Manager selbst auch so zu leisten, denn: Wer wochenlang nach der Bewerbung nichts hört, verliert das Interesse. Ich persönlich sage dann nach ein paar Wochen ggfs. auch selbst ab.

Achtung: Ein offenes “Sammeln” von Bewerbungen zeigt deutliches Desinteresse. Wer nach Eingang einer Bewerbung darauf hinweist, dass man erstmal vier Wochen sammeln wolle, bevor man antwortet, macht deutlich, dass man selbst noch nicht in der Lage ist, eine passende von einer unpassenden Bewerbung zu unterscheiden.

Im Bewerbungsprozess möchte der Bewerber ebenfalls zeitnah informiert werden. Ich halte es da mit Joel Spolskys Guerilla Guide to Interviewing und notiere mein Feedback zum Interview unmittelbar nach dessen Abschluss. Spätestens am folgenden Tag steht mein Fazit zum Interview dann fest.

Angemessene Form der Ansprache

Das “Du” ist omnipräsent, und mich nervt es ein wenig. Eine bekannte Firma hat mich im Assessmentcenter ganz professionell “gegrillt”, und ich sollte die anwesenden Top-Führungskräfte duzen. Das “Sie” wäre mir hier lieber gewesen, weil es ein wenig Distanz aufrechterhält. Eine Art Schutz, wenn man so will.

Das gilt selbstverständlich auch für Recruiter, die mich online ansprechen. Und für die Kontakte während laufender Bewerbungen. Uns verbindet in dem Moment der laufenden Bewerbung lediglich ein gemeinsames Interesse, und nicht jahrzehntelange Freundschaft. Zuviel “falsche Nähe” schreckt mich eher ab.

Und, Überraschung: Das Adjektiv “spannend” ist vollkommen überbewertet. Was interessant ist, entscheidet ausschließlich der Bewerber, denn die Kriterien dafür sind ganz subjektiv.

Professionelle Verfahren

Ein professionelles, geordnetes Bewerbungsverfahren repräsentiert vom ersten Kontakt an die Firma, bei der man sich bewirbt. Den Bewerber interessiert zu Recht:

  • Wer ist mein Ansprechpartner im Verfahren?
  • Was ist der Stand meiner Bewerbung?
  • Was ist der nächste Schritt? Wer (Funktion?) ist bei vereinbarten Gesprächen mein Gesprächspartner?

Aus Sicht des IT-Managers muss ich sicherstellen,

  • dass die Anforderungen an die Position tatsächlich bekannt sind
  • dass klar ist, auf welche (Plan-)Stelle eine Einstellung erfolgen könnte
  • dass die internen Voraussetzungen geschaffen sind, bevor ich mit dem Bewerber konkret werde

Feedback, auch im negativen Fall

Der Klassiker: Ich bemühe mich selbst um ein wertschätzendes, qualifiziertes Feedback, selbst und gerade wenn sich dies darauf bezieht, dass die Bewerbung nicht weiter verfolgt werden kann. Als Bewerber nehme ich diese Wertschätzung wahr, wenn mich der CDO eines 2000+ Unternehmens auch dann persönlich anruft, um mir abzusagen.

Ich selbst habe dieses Jahr neun Bewerbungen aktiv verfolgt. Drei davon habe ich selbst absagen müssen, weil die Voraussetzungen aus meiner Sicht nicht gepasst haben. Bei vier habe ich eine Absage vom Unternehmen bekommen, dreimal ohne Feedback. Ein Unternehmen hat den vereinbarten Gesprächstermin verschlafen und sich danach mit keinem Wort mehr gemeldet, sowas ist mir noch nie passiert. Eine Bewerbung war erfolgreich… 😊

Online funktioniert sehr weit, aber…

Überraschung: Seit Corona wissen wir, dass “online” auch Vorstellungsgespräche möglich sind. Allerdings erwarte ich aus Sicht des einstellenden Gesprächsteilnehmers auch Engagement vom Bewerber: Wer sich zum Gespräch eine ruhige Umgebung aussucht, die Technik im Griff hat und Bild & Ton nicht wirken wie aus dem Yps geklaut, der präsentiert sich auch auf dieser Ebene professionell. Mindestens die ersten Schritte im gegenseitigen Abtasten kann man gut online gehen.

Sowohl als “recruiting manager” als auch als Bewerber gibt es aber einen Zeitpunkt, ab dem ich meine Gesprächspartner gerne auch mal persönlich sehen würde. Idee: Vielleicht sollte man als Firma die Übergabe des einseitig unterschrieben Vertrages mehr zelebrieren, um hier ein Commitment auszudrücken und eine Bindung aufzubauen.