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Ärger mit Carly

Ich bin reingefallen und habe nicht aufgepasst. 😖 Ich bin der Carly Solutions GmbH & Co. KG auf den Leim gegangen und darf mich jetzt mit denen herumärgern. Aber der Reihe nach…

Mein 5er BMW zickt. Der Wagen ist schon 10 Jahre alt und eigentlich ganz prima, aber seit einiger Zeit gibt es Probleme mit der Motorsteuerung. Da es viel Mühe kostet, ständig wegen der Fehlermeldungen zur Werkstatt zu fahren, wollte ich die Fehler selbst auslesen können, um sie dann meinem Kfz-Meister mitteilen zu können.

Dafür gibt es den sog. “Carly Adapter”, ein ODB2-Steckadapter mit Bluetooth, mit dem sich eine Smartphone-App verbindet. ODB ist ein weltweiter Standard, es gibt viele Adapter dafür. Carly wurde mir von einem Nachbarn empfohlen.

Auf der Verkaufsseite1 kann der “Carly Adapter” (die Hardware) zum Preis von 59,90 EUR gekauft werden, dann sind die meisten Funktionen (in der Software) aber deaktiviert. Entscheidet man sich hingegen für die Kombination “Carly+” zum Preis von 118,89 EUR, dann ist der Adapter gratis – und die Kosten gelten nur für die Software, welche vom Umtausch ausgeschlossen sein soll. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Bei der Software handelt es sich tatsächlich um ein Abo und die Lizenzkosten fallen pro Jahr an. Das war mir zuvor nicht aufgefallen. Kündigt man nicht, verlängert sich das Abo automatisch. In der Software wird zudem aggressives Upselling für eine Funktion “Smart Mechanic” betrieben, für die weitere ca. 36 EUR pro Jahr fällig werden. Ohne diese sind alle weitergehenden Diagnosefunktionen deaktiviert.

Verärgert über diese Preispolitik und weil ich mit dem Funktionsumfang der App ohne “Smart Mechanic” nicht zufrieden war, wollte ich den Vertrag widerrufen. In den AGB2 findet sich der folgende Hinweis:

“Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns (Carly Solutions GmbH & Co KG, Kolpingring 882041 Oberhaching, Deutschland) mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail: shop@mycarly.com) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren.”

Eine Email an die angegebene Adresse wird automatisch sofort beantwortet:

[WICHTIG] Carly Support: Bitte Ticket neu anlegen. Bitte beachte, dass wir keine Nachricht erhalten, die an diese E-Mail Adresse gesendet wird. …
Bitte klicke hier3, um uns Dein Anliegen zu schicken

Ein entsprechendes Support-Ticket zur Erklärung des Widerrufes auf der angegebenen Webseite wird dann automatisch beantwortet und geschlossen mit folgendem Text:

Schade, dass Du vom Kauf der App zurücktreten möchtest. … Leider muss ich Dir mitteilen, dass die App Rückgabe durch Carly nicht möglich ist. Bei den Käufen über die Carly Webseite erlischt das Widerrufsrecht für die Carly Feature in der App mit Beginn der Ausführung des Kaufvertrags. … Aus den oben genannten Gründen können wir leider keine Erstattung vornehmen. Wir können aber die automatische Verlängerung Deiner App kündigen. Wenn Du so vorgehen möchtest, antworte bitte auf diese E-Mail mit dem Vermerk “Kündigung automatischer Verlängerung”. … Vergesse bitte nicht die automatische Verlängerung Deiner App direkt über Deinen Google Play oder Apple App Store Account zu kündigen. … Solltest Du Dich doch entscheiden, die Carly App zu behalten, bieten wir Dir einen 10% Treuerabatt-Gutschein auf das nächste Jahr an!

Mein Eindruck: Der Anbieter unternimmt alles, um den Preis undurchsichtig zu verschleiern, das Abomodell zu verstecken, die Rückgabe zu erschweren und den Widerruf ggfs in eine unbeabsichtigte Kündigung zu ändern. Selbst wenn das an der Grenze der Legalität sein sollte: Es ist schändlich.

Ich hatte als Bezahlung “Kauf per Rechnung” gewählt und die Rechnung beim Anbieter Klarna jetzt als Retoure markiert. Die Versandkosten habe ich jedenfalls bezahlt. Mal sehen, ob Carly mich auf Zahlung des Betrages verklagt. Haben andere Kunden ähnliche Erfahrungen gemacht?


Update

Die Verbraucherzentrale NRW hat auf meine Beschwerde reagiert.

Ihre Beschwerde haben wir aufgenommen.

Das Vertragskonstrukt ist sehr komplex. Eine einfache Antwort gibt es nicht. Leider ist das Widerrufsrecht auch bei Abonnements von digitalen Inhalten ausgeschlossen, wenn Sie ordentlich informiert und belehrt wurden und Sie selbst ein Häkchen bei ‘Ich verzichte auf mein Widerrufsrecht’ gesetzt haben.

Das Widerrufsrecht erlischt zudem bei korrekter Information und Belehrung immer 14 Tage nach Zugang der Ware bei Ihnen.

Wir müssen aufgrund einer ersten Prüfung der AGB wohl davon ausgehen, dass Sie korrekt belehrt und informiert wurden und wahrscheinlich aktiv auf Ihr Widerrufsrecht verzichtet haben, dann sind Sie an den Vertrag gebunden und können nur ordentlich kündigen. Wenn Sie nicht korrekt belehrt und informiert wurden kann der Vertrag weiter widerrufen werden.

Wir können leider die seltsame Konstruktion von Hard- und Softwarekauf nicht eindeutig klären. Ob sie, weil Sie unzufrieden mit der Funktionalität sind vom Kauf zurücktreten können oder den Vertragsschluss bestreiten können ist offen und müsste wohl gerichtlich geklärt werden.

Leider ist das Problem insgesamt so komplex, dass es von der Verbraucherzentrale nicht bearbeitet werden kann.

Tja. Wie es scheint, hat sich die Carly Solutions GmbH zumindest nicht dumm angestellt. Wahrscheinlich ist der Aufwand einer rechtlichen Auseinandersetzung die Mühe nicht wert, aber genau darauf bauen solche Konstrukte ja leider. Ich werde jetzt jedenfalls meine bereits erfolgten Widerspruch nochmal schriftlich (per Einschreiben) wiederholen und dabei hilfweise zusätzlich kündigen.

Update 2

Dieser Artikel wurde in den vergangenen 40 Monaten knapp 275.000 Mal aufgerufen und hat mehr als 70 teils wütende Kommentare erhalten. Da sollte ich mich doch drüber freuen, oder? Nun, eigentlich ist mir das Thema nicht wichtig. Ich habe weder Zeit noch Lust, in dieser Sache tätig zu werden. Ich nehme für mich als Fazit mit, dass es ein starkes Interesse am hier beschriebenen Umstand gibt, jeder mag für sich selbst entscheiden, wie wichtig einem dies ist.

Ich nehme den Artikel also in seiner Sichtbarkeit deutlich zurück und deaktiviere die Kommentare. Mögen sich andere kümmern. Und bevor Gerüchte entstehen: Nein, dazu zwingt mich niemand.

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