Internet für Hippies
Gestern war Internet Day: Gestern vor 32 Jahren veröffentlichte Sir Tim Berners-Lee (damals noch Stipendiat am CERN in der Schweiz) sein “WorldwideWeb” Projekt, genannt WWW. Das ist noch gar nicht so lange her angesichts einer Technologie, die nicht weniger als unser gesamtes Leben verändert hat. Happy Birthday, WWW!
Ich will gar nicht allzu sehr auf die ollen Kamellen zurück, aber Fakt ist, dass das fürs US-Militär erdachte ARPAnet zunächst mit den amerikanischen Eliteuniversitäten und den dort vorhandenen ersten Computern startete: MIT, Harvard, UCLA und Stanford waren neben der NASA die ersten Teilnehmer.
Ob 68er Hippies das Internet erdacht haben? Rückblickend dürfen wir annehmen, dass ein Internet als Produkt einer klassischen Firma, einer hierarchisch strukturierten, auf Umsatz ausgerichteten Organisation ganz anders ausgesehen hätte. Ideen wie Postels Law (“be conservative in what you do, be liberal in what you accept from others”), das Konzept der “Requests for Comments” als Standardisierung oder allgemein die Idee freier Software waren in der Frühzeit des Internets weit verbreitet. Wer in den 70ern, vor Erfindung des Domain Name Systems, einen Computer ans Internet anschließen und dafür einen Namen registrieren wollte, rief bei Mrs. Elizabeth Feinler an, die zu der Zeit das NIC in Stanford leitete - und deren Abteilung für die zentrale HOSTS Datei verantwortlich war. Alles war geprägt von gutem Glauben, gegenseitiger Hilfe und Offenheit.
Es ist also gut möglich, dass all das auch das Klima der Innovation am CERN in den späten 80er Jahren beeinflusste, in dem Tim Berners-Lee seine Idee der frei zugänglichen, leicht auffindbaren Information formulierte. Ganz praktisch aus dem Grunde, weil er mit seinen Wissenschaftskolleg:innen Dokumente austauschen wollte. Das WWW löste also ein praktisches Problem seiner Nutzer. Es existierte selbstlos und ohne kommerzielles Interesse.
Was folgte, ist eine Geschichte rasend schneller Umwälzungen. Ganze Branchen und Produktgruppen wurden durch Google, Youtube, Netflix und andere obsolet. Noch in den 90ern war der Gedanke, auf handflächengroßen, gläsernern Geräten jederzeit und überall Zugang zu allem Wissen der Welt zu haben, blanke Science Fiction. Willkommen, Smartphone in 2007.
Viele der Ideale der frühen Internetzeit wurden längst von der Realität eingefangen. Nostalgisch finde ich das ein wenig schade. Es würde uns aber auch bei aktuellen Fragen helfen, gelegentlich daran zurückzudenken: Zur Sicherheit der Cloud, zur Zentralisierung von Information auf kommerziellen Plattformen und zur Verwendung offener und freier Software als Gegenstück zu nachteiliger Abhängigkeit.
Wenn wir heute über Alternativen zu den großen Portalen wie Facebook oder Twitter/X nachdenken, dann kommt die Idee der Federation auf: Anstatt alle Inhalte auf einer Plattform zu konzentrieren, ist jeder frei, seine eigenen Plattform zu betreiben und Inhalte öffentlich zu machen, welche dann über ein simples Protokoll miteinander verbunden werden. Hallo, Fediverse. Freie Software, einfacher Zugang, keine Restriktionen.
Da waren wohl doch noch ein paar Hippies aktiv. Und ich liebe es.