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Abraum vs Diamanten

Alle freuen sich über brillante Ideen. Jeder CEO würde sich gerne brüsten, das nächste iPhone vorgestellt zu haben oder den nächsten mRNA Impfstoff. Leider: Alle Firmenprozesse sind fest in der Hand des Managements. Alle? Nein. Ein einziger Bereich “Ideenmanagement” widersetzt sich standhaft den Eindringlingen.

Lange Gesichter in der Geschäftsetage der “Efficient Diamond Mining Corporation”: Obwohl man jeden Tag eine sündteure Schaufel an einer wohlkalkulierten Stelle in den Boden rammt, wurde trotzdem noch immer kein Diamant gefunden. Eine Lösung muss her: Senior Digging Consultants empfehlen noch teurere Schaufeln, ein Bonussystem für den Finder wird ausgelobt. Das Ausheben von Dreck ohne Diamant drin wird unter Strafe gestellt. Wird die EDMC überleben?

Das ist natürlich alles Quatsch. Niemand würde nur einmal die Schaufel in den Boden rammen, um seltene Diamanten zu finden, richtig? Diamantminen erzeugen nicht ohne Grund riesige Abraumhalden. Wer seltenes finden will, muss den Großteil wegwerfen, das wissen die Schürfer.

Mit Ideen verhält sich das ähnlich. Es ist nicht alles Gold, was glänzt, und selbst die genialsten Geister hatten schon mal weniger überzeugende Ideen. Kann man Abraum und Diamanten voneinander trennen, bevor man beides in der Hand hält? Leider nein. Wer best practices ausbilden will, muss zunächst mal verschiedene practices zulassen, ausprobieren und bewerten. Manche werden weniger gut abschneiden, die verwirft man dann. Das ist der Abraum.

“Die Gedanken sind frei” sagen die Schweizer. Recht haben sie. Man kann nicht einschränken, wer welche Idee zu haben hat. Man kann nicht kontrollieren, ob einem eine gute Idee im unpassenden Moment kommt. Unter der Dusche oder morgens auf der Wiese, wenn ich mit dem Hund draußen bin. Aber ich merke mir nicht alles, vieles verfliegt wieder. Meine Faustregel ist die “eins zu zehn”-Regel: Nur eine von 10 Ideen wird festgehalten. Nur eine von 10 festgehaltenen Ideen ist tauglich. Um also eine taugliche Idee festgehalten zu haben, muss ich 99 andere Ideen vergessen oder verworfen haben. Eine von hundert…

In Organisationen arbeiten viele Menschen zusammen. Es wäre töricht, diese Skalierfähigkeit nicht zu nutzen. Wenn hunderte Menschen Ideen festhalten, steigt die Chance, dass bald etwas Gutes dabei ist. Aber wie motiviere ich meine Belegschaft, Ideen festzuhalten und zu teilen?

Motivation ist ein zartes Pflänzchen: Wer mit seiner Idee mal ignoriert wurde, ausgelacht oder unsachlich abgelehnt, wird nicht mit einem zweiten Vorschlag kommen. Wenn wir Beteiligung wollen, dann müssen wir sie zulassen: “Betriebliches Vorschlagwesen” klingt ungefähr so sexy wie Lohnsteuerjahresausgleich, ist aber im Grunde der richtige Ansatz:

Jeder soll die Möglichkeit haben, jede Art von Vorschlag zu formulieren. Jeder Vorschlag wird wertschätzend angenommen und angemessen geprüft. Was ist möglich, was (noch) nicht? Nur weil etwas jetzt nicht realisierbar ist, bedeutet das nicht, dass es nicht morgen dennoch ein wichtiger Hinweis sein könnte. Entscheidend ist auch, mit Vorschlägen (auch verworfenen) offen umzugehen: Sie dienen als Inspiration und Beispiel für andere Menschen.

In Anlehnung an das bekannte Fortbildungs-Bonmot will ich mal so sagen:

“Was sollen wir denn tun, wenn jetzt plötzlich jeder mit Ideen ankommt?”
“Was würden wir denn tun, wenn keiner mehr eine hat?”