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Nachahmer und Plagiate

TV an, kurz vor 20 Uhr: Der Herr von den Wirtschaftsnachrichten erklärt, dass wir ohne künstliche Intelligenz alle verloren sind. Ohne KI ist alles nichts. Jede Firma, die ganze Wirtschaft, wir alle müssen sofort KI kennen und noch wichtiger: Nutzen. Wow. Könnten wir kurz die Luft anhalten, dann tief durchatmen und die Sinne sortieren?

Künstliche Intelligenz (KI) kann wirklich verblüffende Ergebnisse liefern: Krebs besser erkennen als ein Mensch1, oder das Wetter besser vorhersagen als traditionelle Modelle2. In diesen Fällen würde man ohne KI Algorithmen entwickeln, um Daten zu untersuchen - und das klappt mal mehr, mal weniger gut. Soll heissen: Algorithmen decken häufig nur einen Teil der denkbaren Fälle ab. KI ist da ganz anders: Wird eine KI mit Informationen trainiert, dann werden zahllose statistische Kennzahlen zwischen allen vorhandenen Informationshäppchen errechnet. Quasi ein riesiges Netzwerk von Zahlen, ein Wenn-Dann-Geflecht, größer als es ein Mensch ausdenken könnte. Wenn dann eine Anfrage an die KI gestellt wird, dann wird die Anfrage in die gleichen Häppchen zerlegt und errechnet, was zueinander die größte Wahrscheinlichkeit hat. Wenn wir heute Technologie als “smart” bezeichnen, steckt in Wirklichkeit bestenfalls so ein Verfahren dahinter - häufig noch viel weniger.

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Das funktioniert prinzipiell mit allem: Katzenbildern, Malerei des 17. Jahrhunderts, Musikvideos oder der Stimme von Hans Clarin als Pumuckl3. KI kann alles nachahmen, was schon da war, was trainiert wurde, was schon gemacht wurde. KI kann alles neu zusammensetzen und mehr Varianten liefern, als wir jemals brauchen werden. Leider braucht KI deswegen auch viel mehr Rechenleistung als zB die Benutzung von Google & Co. So viel, dass die Nutzung von KI bereits zum Problem fürs Klima wird.4

Eins kann KI nicht: Durch den Einsatz von KI wird keine neue Idee erzeugt, nichts geschaffen, was radikal anders ist als die vorherrschende Wirklichkeit.

Es gibt immer wieder welche, die vorhersagen, dass KI uns ersetzen wird. Besonders Digitalarbeiter sollen davon betroffen sein: Zuletzt hat sich NVIDIAs CEO Jensen Huang damit aus dem Fenster gelehnt, dass schon in wenigen Jahren die Fähigkeit zu programmieren nicht mehr gefragt sein wird, weil KI das erledigt. Wäre ich Anteilseigner von NVIDIA, wäre ich in Sorge: Wie will die Firma in Zukunft innovativ sein? Manche gehen noch weiter und sagen voraus, dass “in 10 Jahren alle Software weg” sei, weil alles denkbare dann generiert wird. Was ist mit dem undenkbaren?

Hätte es 1969 schon KI gegeben, dann hätte diese nicht Led Zeppelin modelliert - die hätten dann eher geklungen wie die zu der Zeit überaus populären Temptations, Marvin Gaye oder Creedence Clearwater Revival. Eine KI hätte um 2000 herum nicht das iPhone als radikalen Gegenentwurf zu damals erfolgreichen Geräten mit Tasten entwickelt. Und eine KI hätte wahrscheinlich eher das Leben in der DDR organisiert und optimiert - anstatt die Wende herbeizuführen. KI ist grausam logisch und gleichzeitig brutal erwartbar. Wir haben längst erlebt, dass KI-Ergebnisse rassistisch und sexistisch sein können5, wenn die Trainingsdaten dies hergeben. Und trainiert man die KI bewusst auf Diversität, um dem zu entgehen, sind die Ergebnisse nicht minder absurd6.

Wahr ist allerdings auch: Nicht jeder von uns ist kreativ wie Da Vinci oder Mozart. Viele unserer täglichen Aufgaben sind ähnlich und wiederholen sich. Wer als Sachbearbeiter täglich die gleichen Sachen bearbeitet, sollte dringend darauf hoffen, dass der Einsatz menschlicher Arbeitskräfte weiterhin billiger ist als Einführung und Betrieb einer spezialisierten KI - die ist nämlich noch recht teuer. Aber dürfen wir uns darauf ausruhen?

Als oberster Grundsatz ist das Ziel im Auge zu behalten, dass die Firma in der Fabrikation das Ausgezeichnetste, möglichst Vollkommene zu leisten hat. Alfred Krupp, deutscher Unternehmer (1812-1887)

Man mag vom alten Krupp halten was man will, aber er schien über ein starkes Qualitätsbewusstsein zu verfügen. (Auch sonst war er mit vielen Ideen seiner Zeit voraus) Auch wenn es juristisch genug sein mag, bei der Arbeit nur durchschnittliches zu leisten, darf man sich doch fragen, ob das tatsächlich ausreicht: Ist eine gewisse Exzellenz nicht wünschenswert und vielleicht sogar nötig, um sich genug von der Konkurrenz abzuheben? Kann KI das leisten, wenn wir mal annehmen, diese würde zukünftig den Hauptteil der Arbeit erledigen? Wenn alle das Gleiche leisten, ist man dann nicht besonders austauschbar?

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Ich weiss, old man yelling at clouds und so… aber wenn wir tatsächlich glauben, dass Junior-Developer in Projekten mithilfe von KI auf “magische Weise” fehlende Erfahrung und mangelndes methodisches Wissen ausgleichen, dann wird es sehr bald einen Markt geben für IT-Feuerwehrleute, die den ganzen $h1ce wieder aufräumen müssen.

Ist doch auch gut: Zu wissen, dass man gebraucht wird.