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Erschreckend lieb

Beruflich haben sich alle heutzutage lieb, zumindest oberflĂ€chlich. Emails und Chats strotzen vor 😍 und ich höre Floskeln wie “Ich will ja niemandem zu nahe treten” oder “no blame”. Dabei gibt es durchaus Kritik. Ja, wertschĂ€tzende Kommunikation ist wichtig, aber Ehrlichkeit und Mut sind nicht zuletzt deshalb agile Werte, weil sie ObjektivitĂ€t, fruchtbare Kontroversen und damit Verbesserung ermöglichen.

Es ist natĂŒrlich Mist, wenn man aus einer vermeintlich stĂ€rkeren (Macht-) Position heraus jemanden öffentlich angreift und damit bloßstellt. “Wir wissen doch alle, dass es Mustermanns schlampige Planung war, die uns den Projekterfolg gekostet hat.” - das ist in großer Runde eine wenig geeignete Formulierung. Aber was, wenn es tatsĂ€chlich Mustermann war, der Fehler gemacht hat? War das vermeidbar? Wie kann man daraus lernen?

Anstatt also sprachlich wie auf rohen Eiern um die Anschuldigung herum zu tanzen, sollten wir Ross und Reiter benennen, wenn es nötig ist. Dabei bleibt man sachlich und objektiv: Nur so hat der Adressat Möglichkeit und Verpflichtung, darauf zu reagieren. Wenn wir es bei vagen Andeutungen und Empfehlungen belassen, können sich die Low Performer wegducken, was ja auch gern getan wird.

Viele Organisationen verschreiben sich der AgilitĂ€t. Die aber setzt den stĂ€ndigen Abgleich zwischen Wunsch und Wirklichkeit voraus, inspect and adapt. Agile Methoden wie Scrum steuern, indem sie nutzenorientiert priorisieren - und dabei stĂ€ndig beobachten, wie erfolgreich das eigene Tun ist. Man misst den eigenen Aufwand, den Erfolg, den Nutzen. Ist das Ergebnis nicht wie erwĂŒnscht, steuert man nach. Das funktioniert, wenn man sich selbst und dem Team gegenĂŒber ehrlich ist: Aufgaben sauber beschreibt, Zeiten richtig erfasst, Erfolg sinnvoll misst. Bleibt das aus, dann fehlt das empirische Element in Scrum, dann kann die Methode nicht funktionieren und verkommt zu “wir machen halt irgendwas und benutzen dafĂŒr Jira”.

Niemand legt es darauf an, kritisiert zu werden. Ich werde natĂŒrlich lieber gelobt als ausgeschimpft. Aber wenn mein Tun Ursache fĂŒr Probleme war, dann sollte ich es aushalten, dass man darĂŒber spricht.